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Jäger

Jäger

James Salter
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Roman

„Dass ‚Jäger‘ jetzt erst auf Deutsch erscheint, ist ein hoch interessanter Anachronismus. Immer wieder blitzen in ihm wunderbare Sprachbilder auf.“ - kulturSpiegel

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Jäger — Inhalt

„Die Jäger, 1957 erschienen, ist der erste Roman von Salter und zugleich einer der prägnantesten Nachweise seines Talents. Der Roman ist autobiographisch und stützt sich auf Salters Erfahrungen als Kampfflieger im Koreakrieg. Während auf dem Boden ein schwerer Bürgerkrieg herrscht, wetteifern die Piloten in der Luft in ihren Kampfeinsätzen um die begehrten fünf Kills - den gültigen Nachweis dafür, dass man ein >As< ist. Die Zerrissenheit zwischen der unbedingten Pflicht, für die Sicherheit der Kameraden zu sorgen (die heilige Pflicht des wingman), und der Waghalsigkeit, die nötig ist, um den Feind zu eliminieren, droht Salters Hauptfigur, Cleve Connell, zu zerstören.“ Besser als der britische Autor Geoff Dyer kann man diesen Roman kaum beschreiben. Salter war sein literarisches Debüt so wichtig, dass er es 1997 leicht überarbeitete und neu herausbrachte. Mit Erfolg, denn Mark Greif urteilte daraufhin im Times Literary Supplement „Andere Bücher aus jener Zeit sind vergessen - dies hier entpuppt sich als Klassiker.“

€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 13.10.2014
Übersetzt von: Beatrice Howeg
208 Seiten, WMePub
EAN 978-3-8270-7749-3
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„Mit 'Jäger' hat der große US-Erzähler James Salter in den 50ern seine literarische Karriere begonnen. In dem Roman über den Korea-Krieg, sprachlich das erste Zeugnis von Salters großer Kunst, inhaltlich heute durchaus ambivalent zu lesen, begegnet man bereits den Motiven in seinem Erzählwerk: existenzielle Einsamkeit und deren Überwindung, Streben nach Sinn und Besonderheit – hier in der Rivalität von Kampfpiloten, wie Salter selbst einer war.“
orf.at
„Der im Juni dieses Jahres verstorbene James Salter war ein Kultautor, ein 'writer's writer', der nur wenige Bücher veröffentlichte, die bei Publikum und Kritik nur mäßig erfolgreich waren, aber wegen seines äußerst prägnanten, lakonischen und letztlich melancholischen Stils auf zahlreiche Schriftsteller einen großen Einfluss ausübte.“
tactuel
„James Salter, der mit diesem Buch Abschied von der Air Force genommen hat, evoziert in knappen, präzisen Sätzen Bewusstseinszustände und Stimmungen, ohne sie je auszubuchstabieren. Vieles bleibt unausgesprochen in dieser soldatischen Männerwelt, die ihre Lebensberechtigung aus dem Tod der anderen zieht. Salter stellt das nicht in Frage, aber er windet auch keine Girlanden darum.“
Badische Neueste Nachrichten
»Mit einfachem, schmucklosem Stil umspielt er die Bewegungen und Gesten seiner Figuren und setzt sie sorgsam und unspektakulär in Szene. Doch gerade diese Geräuschlosigkeit lässt erst hören, was Salter zu sagen hat. Er spricht von einem Sinn des Daseins, vom angstlosen Vertrauen, vom spurlosen Verlassen der Welt, von einer arglosen Männlichkeit, die angesichts der letzten Regungen des Atems und des Geistes wie zu Staub zerfällt.»
Ö1 "Ex libris"
„Es ist ein Roman, der den Geschmack der fünfziger Jahre hat, literaturgeschichtlich interessant ist und am Ende etwas schafft, was nur wenigen Gegenwartsromanen gelingt: der Handlung eine parabelhafte Bedeutung und den Lesern eine Portion Lebensphilosophie mit auf den Weg zu geben.“
SWR 2 "Forum Buch"
„Ohne es zu ahnen, hat er, dessen gebrochene Helden Glück nur als rauschhaften Moment der Ekstase kennen, ein Buch über die Kunst des Fliegens geschrieben, das zugleich ein Buch über die Kunst des Schreibens ist.“ Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/jaeger-von-james-salter-moerder-der-luefte-1.2251744-2
Süddeutsche Zeitung
„In Salters makelloser Prosa, der Klarheit der Beschreibungen und Vergleiche, erhält dieser von allem Irdischen abgelöste Wert des Heroischen seine ästhetische Gestalt.“
Frankfurter Allgemeine Zeitung
„Dass ‚Jäger‘ jetzt erst auf Deutsch erscheint, ist ein hoch interessanter Anachronismus. Immer wieder blitzen in ihm wunderbare Sprachbilder auf.“
kulturSpiegel
„Er ist ein beeindruckend kühler Bericht über einen Männerbund.“
Frankfurter Rundschau

Leseprobe zu „Jäger“

VORWORT


Wenn man heutzutage einen Roman liest, in dem Krieg Ruhm bedeutet und Töten als eine Art Sport gilt, ist das eine Überraschung. Vielleicht konnte man so einen Roman nur über den Luftkampf schreiben, bei dem die Opfer unblutig einfach vom Himmel fallen. Vielleicht konnte er auch nur – wie in diesem Fall – im Jahr 1956 geschrieben werden. Auf seinen Seiten lebt eine ganze in Misskredit geratene Welt der Männlichkeit und Zerstörung weiter. Und dennoch, vierzig Jahre nach dem ersten Erscheinen spricht diese überarbeitete Ausgabe* von James Salters [...]

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VORWORT


Wenn man heutzutage einen Roman liest, in dem Krieg Ruhm bedeutet und Töten als eine Art Sport gilt, ist das eine Überraschung. Vielleicht konnte man so einen Roman nur über den Luftkampf schreiben, bei dem die Opfer unblutig einfach vom Himmel fallen. Vielleicht konnte er auch nur – wie in diesem Fall – im Jahr 1956 geschrieben werden. Auf seinen Seiten lebt eine ganze in Misskredit geratene Welt der Männlichkeit und Zerstörung weiter. Und dennoch, vierzig Jahre nach dem ersten Erscheinen spricht diese überarbeitete Ausgabe* von James Salters Jäger zu uns Zeitgenossen viel beredter von der universellen Qual von Konkurrenz, Sehnsucht, Neid und Verrat, als es damals, direkt nach dem Ende des Koreakriegs, möglich war. Es ist ein straffer, durchkomponierter Roman mit titanischen Sätzen. Während andere Bücher aus jener Zeit in der Versenkung verschwunden sind, erweist sich dieses hier als Klassiker.
Cleve Connell ist der Anführer eines Schwarms Kampfpiloten, der entlang des Yalu-Flusses feindliche MiGs angreift. Cleve führt Krieg in der reinsten Form des Kampfes. Er jagt nach Fliegern und die Flieger jagen ihn, oben im eisigen Himmel über einem elenden Konflikt. Auf dem Boden besteht die Welt aus nicht viel mehr als den Kasernen und dem Offiziersclub, in dem die Piloten sich gegenseitig danach bewerten, wie viele Abschüsse sie vorzuweisen haben. Doch Cleve bekommt den Feind nicht zu packen. Wochen vergehen ohne ein einziges Gefecht. Sein Prestige und sein Selbstbewusstsein schwinden gleichermaßen. Die Jagd nach den gegnerischen MiGs wird für ihn existentiell. Pell, ein tückischer junger Lieutenant, heimst den Erfolg ein, der eigentlich Cleve gebührte. Und irgendwo da draußen ist auch noch Casey Jones, Cleves Moby Dick und bester Feind – das so schwer zu fassende sowjetische Fliegerass mit den schwarzen Streifen auf seiner Maschine.
Salter ist berühmt für seine meisterlichen Beschreibungen, ein Talent, das für einen Schriftsteller sowohl Fluch als auch Segen sein kann. In seinem berühmtesten Werk, Ein Spiel und ein Zeitvertreib (geschrieben 1967), beschwört der Erzähler auf schillernde Weise die Liebesgeschichte eines anderen Mannes, wobei eine so passive Stimmung entsteht, dass das Verlangen nach mehr Worten das wahre Verlangen ersetzt. In Jäger geht es Salter um einen anderen Effekt, Beschreibung und Handlung sind hier ausgeglichen. Selten hat ein Autor eine so dichte Atmosphäre mit so wenig Mitteln geschaffen: nichts als Luftschichten, Landschaft und ein Cockpit. Lange, glühende Abschnitte des Wartens. Kampfszenen, die Herzklopfen verursachen.
Pell ist ein echter Bösewicht. Er bemäntelt mit den Ritualen und Auszeichnungen des Militärs die pure Selbstsucht. Cleve folgt einem traditionelleren Ehrenkodex. Aber mit Edelmut allein schießt man leider keine MiGs ab. Also droht Cleve, erfolglos und schwach, ein Niemand zu bleiben. Die Angst davor, zu spät (geboren) zu sein, beherrscht dieses Buch wie jeden der Texte Salters. Dadurch wird es spannend, sowohl im dramatischen als auch im literarischen Sinne. Kann Cleve, in seinem Alter und so kurz vor Ende des Kriegs, noch zum Helden werden? Kann Salter, nach Hemingway und mitten im Kalten Krieg, noch ein Meisterwerk schreiben?
Die Änderungen, die der Autor an dieser Ausgabe vorgenommen hat, scheinen minimal. Ein elegantes Kapitel über einen Wochenendausflug nach Tokio, das im Original ein wenig
überschwänglich geraten war, wurde gemäßigt und verbessert. Einige Passagen in Cleves Briefen sind nun etwas weniger ehrgeizig, so dass der Protagonist nicht mehr wie ein angehender Schreibkünstler daherkommt, sondern eher wie ein Jedermann. (Salter kämpfte selbst als Pilot am Yalu, und Jäger ist durchaus autobiografisch gefärbt.) Warum manche Namen geändert wurden, weiß nur Salter selbst. Und falls die Änderungen des Autors bloß als Ausrede dienten, ein Buch noch einmal zu veröffentlichen, das bei seinem ersten Erscheinen kurz nach dem Koreakrieg nicht genug gewürdigt wurde, sollten wir einfach dankbar sein. Die Welt braucht nur selten einen topaktuellen Roman, aber einen großartigen Roman kann sie immer gebrauchen.


* Dieses Vorwort erschien anlässlich des Erscheinens der überarbeiteten Originalausgabe am 8. Januar 1999 als Rezension im Times Literary Supplement.




VORWORT ZUR AMERIKANISCHEN AUSGABE


Der Koreakrieg, Schauplatz für die Handlung des vorliegenden Romans, wurde zwischen 1950 und 1953 ausgetragen. Die Geografie Koreas und die Kämpfe, die sich damals ereigneten, waren zu der Zeit allgemein bekannt. Jetflugzeuge waren gerade neu im Einsatz, und die ersten Kämpfe zwischen ihnen fanden statt, als die Sowjetunion die kommunistischen Armeen von China und Nordkorea mit Piloten und Flugzeugen unterstützte. Ihnen wurden vor allem Jets aus den Vereinigten Staaten entgegengesetzt.
Die russischen Maschinen waren MiG-15 Jets mit gepfeilten Tragflächen, exzellent entworfen und mit Schnellfeuerkanonen ausgerüstet. Es gab sehr viele von ihnen. Sie starteten von Flugplätzen in China, die aus politischen Gründen nie angegriffen wurden. Ihnen stand eine kleinere Anzahl F-86 Jets gegenüber, eine in etwa gleichwertige Maschine und zu der Zeit das beste Flugzeug, das der U. S. Air Force zur Verfügung stand.
Die F-86 Jets konnten nicht ganz so hoch fliegen wie die MiGs (sie kamen auf ungefähr 45.000 gegenüber 48.000 Fuß), und ihre Leistungen waren in großer Höhe auch nicht so gut, aber weiter unten waren sie leicht überlegen. Ausgestattet waren sie mit Maschinengewehren, die – um eine ungefähre Vorstellung der Kürze der Feuergefechte zu geben – über Munition für lediglich elf Sekunden verfügten. Aber ein Feuerstoß von zwei oder drei Sekunden konnte während eines Kampfes durchaus genügen. Zur damaligen Zeit gab es noch keine Raketen; diese kamen erst ein paar Jahre später.
Die grundlegende Kampfformation bestand aus dem element, einem Flugzeug-Paar, das sich aus leader und wingman zusammensetzte, einer Führungsmaschine und einer weiteren daneben, die im Einsatz zusammen zu bleiben hatten. Der Wingman, der für gewöhnlich etwas unerfahrener war, fungierte als eine Art Bodyguard. Seine Aufgabe war nichts weniger als heilig: er diente als Wachposten, vor allem, wenn sein Leader in einen Kampf verwickelt war, und sollte ihn, wenn nötig, mit Feuerkraft unterstützen. Wingmen, die ihre Leader verloren hatten, und umgekehrt, waren angewiesen, sich unverzüglich aus dem Kampfgebiet zurückzuziehen.
Ein Schwarm (flight) wurde aus zwei solchen Paaren gebildet und war für gewöhnlich die kleinste Kampfeinheit, obwohl diese während eines Gefechts nicht immer intakt bleiben konnte und sich dann wieder in Paare von jeweils zwei Maschinen aufteilte. An einem Staffeleinsatz konnten drei oder vier Schwärme beteiligt sein.
Das wichtigste Verteidigungsmanöver war eine enge Kurve, (ein break), bei der man so scharf es ging zur Seite scherte, um die Maschine, die hinter einem war, aus der Schussposition zu bringen. „Break right!“ oder „Break left!“ waren die dringenden Warnungen über Funk, wenn feindliche Maschinen sich
hinter einen gesetzt hatten. Kampfpiloten kämpfen nicht, wie Saint-Exupéry schrieb, sie morden, und das taten sie für gewöhnlich, indem sie sich, so nah es ging, ans Heck der feindlichen Maschine hefteten und feuerten.
Asse sind Piloten, die fünf Flugzeuge abgeschossen haben, Als beste unter den Besten werden sie sehr bewundert. Während des Koreakriegs gab es neununddreißig Asse. Ihre Unsterblichkeit war aber nicht so groß, wie man denken mag. Zumindest einer wurde selbst abgeschossen und dabei getötet. Andere starben bei späteren Abstürzen. Viele der Asse waren Staffelkapitäne, Gruppenoder sogar Geschwaderkommandeure, Männer die als Leader flogen, aggressiv und kämpferisch. Auch solche Kommandeure wurden abgeschossen, meiner Kenntnis nach mindestens fünf.
Ein kleiner roter Stern am Flugzeug eines Piloten, direkt unter das Cockpit gemalt, war das Zeichen für einen Abschuss. Eine Reihe mit fünf Sternen, unauffällig und in der Luft so gut wie nicht zu sehen, war Ausdruck der größten Ehre, größer als jede andere Auszeichnung oder Trophäe.
Lord Byron, so sagt man, sei auf seine normannischen Vorfahren, die Wilhelm den Eroberer bei der Invasion von England begleitet hatten, stolzer gewesen, als darauf, berühmte Werke geschrieben zu haben. Der noch nicht anglikanisierte Name Burun steht im Domesday Book.
Und denke ich zurück, fühle ich einen ähnlichen Stolz, am
Yalu geflogen zu sein.

J. S.




1


Eine Winternacht zog über Japan, schwarz und eisig, über das raue Wasser im Osten, die zerklüfteten, treibenden Inseln, all die Städte und Orte, die kleinen Häuser, die bitteren Straßen.
Cleve stand am Fenster und sah hinaus. Die Dämmerung war hereingebrochen, und er fühlte sich taub und lethargisch. Er war noch nicht ganz wach. Offenbar waren, während er schlief, alle irgendwo hingegangen. Außer ihm war niemand im Raum.
Er beugte sich leicht vor, bis er mit der Nasenspitze die Scheibe berührte. Sie war kalt, aber wohltuend. Schnell entstand ein beschlagener Kreis um die Stelle. Er hauchte ein paarmal dagegen, machte ihn größer. Nach einer Weile trat er vom Fenster zurück. Er zögerte, dann schrieb er die Buchstaben C M C in den feuchten Dunst.
Es war ein großer Schlafsaal. Es gab zehn Stockbetten und wie wohl an allen Orten dieser Art weder Regale, Schränke, Garderoben noch andere Möbel. Die Deckenlampen waren wie in einer Turnhalle durch kleine Drahtkäfige geschützt. Das Gebäude selbst war offensichtlich einmal ein Lagerhaus gewesen – die großen Innenräume sprachen dafür, die Wände aus nacktem Beton, die Türen aus genietetem Stahl, die zwei Handbreit
über dem Boden angebracht waren wie auf einem Schiff. Er war ein paar Stunden zuvor aus Tokio zurückgekehrt und hatte sich nach einem Tag des Herumlaufens und den siebzehn Meilen Fahrt vor dem Abendessen ein paar Minuten hingelegt. Er war schnell eingeschlafen. Als er aufwachte, war es dämmrig geworden, und alle anderen waren fort. Er fühlte sich wie losgelöst, abseits von der bevölkerten Welt, dem ganzen Leben und Treiben. Er starrte mit schwerelosen Augen durch die stahlgefassten Scheiben, den Blick auf nichts gerichtet. Der Abend zog schnell herauf. Die kahlen, dünnen Bäume verschwanden allmählich im Dunkel, und in den Fenstern gingen die Lichter an. Er sah zwei Gestalten wortlos nebeneinander die Straße hinuntergehen. Sie bogen um eine Ecke und waren außer Sicht.
Cleve war seit vier Tagen hier auf dem Truppenstützpunkt und hatte auf den Marschbefehl nach Korea gewartet. Die ganze Zeit war er unter Fremden gewesen, viele kamen gerade aus dem Krieg und waren, leichtherzig wie Kinder, auf dem Weg zurück in die Staaten. Sie drängten in lauten, zufriedenen Grüppchen an ihm vorbei. Während der vier Nächte hatten vielleicht fünfzig verschiedene Männer in dem Raum geschlafen oder zumindest ihre Taschen fallen lassen, bevor es nach Tokio weiterging. Dort, so vermutete er, waren zurzeit wohl die meisten von ihnen. Sie zogen am Abend los und kamen erst am nächsten Tag zurück.
Er griff nach seinem Handtuch und dem Waschzeug und ging über den Flur in den Duschraum. Normalerweise war er immer voll, mit Reihen von Männern vor den beschlagenen
Spiegeln, während das Wasser in schweren Tropfen an der Decke kondensierte und auf sie heruntertroff, aber jetzt war er leer, abgesehen von einem hageren, weißblonden Mann im Duschbecken, der vielleicht achtundzwanzig, aber auch achtunddreißig sein mochte und laut vor sich hin sang. Seine Schuhe mit den Socken darin standen auf einer Bank neben dem Becken – schwarze, tief geriefte Fliegerstiefel. Als er ihn sah, hörte er auf zu singen.
„Howdy“, grüßte er Cleve.
Das Duschwasser klatschte behaglich prasselnd auf den Boden.
„Wie ist das Wasser?“, fragte Cleve. „Heiß?“
„So heiß, wie du’s haben willst. Genau das Richtige für meine eisigen, alten Knochen, das kann ich dir sagen.“
„Bestimmt.“
„Danach fühlst du dich wie neugeboren“, erklärte der Mann freundlich.
Cleve hängte sein Handtuch an einen Haken und begann sich auszuziehen.
„Was für ein Wetter“, bemerkte er. „Bei der Kälte könnte man glatt mit Kleidern duschen.“
„Mörderisch. Und? Warst du schon in Korea?“
„Nein, bin gerade auf dem Weg. Wie ist es da so?“
„Ich weiß nicht. War selbst noch nicht da. Wenn es aber so ist, wie ich vermute, werden wir das heiße Wasser noch schwer vermissen.“
„Nicht nur das, denk ich.“
Cleve ging unter die Dusche, während der hagere Mann
herauskam und sich energisch abtrocknete. Als er fertig war, schlüpfte er mit nackten Füßen in die Stiefel, band sich das Handtuch um und griff nach seinen Kleidern.
„Bis dann“, sagte er gutgelaunt.
Cleve blieb lange unter dem warmen Wasser, ließ den Strahl auf Schultern und Oberkörper prasseln, das Haar klebte ihm wie eine dünne, nasse Mütze auf dem Kopf. Dort, unter dem Wasser, fühlte er sich sauber und sicher, etwas, das einem das Reisen als Erstes nahm. Schließlich stellte er die Dusche ab und ging zurück in den Schlafsaal, um sich für das Abendessen umzuziehen.
In dem hohen Raum kam es ihm jetzt noch kälter vor. Er machte beim Eintreten Licht. Draußen vor dem Fenster war es jetzt vollkommen dunkel, eisig und klar. Er fröstelte, nahm frische Kleidung aus seiner Tasche und stopfte die schmutzigen Sachen in ein Fach, das fast bis oben voll war. Obwohl er sparsam mit seiner Wäsche umging, hatte er kaum noch welche. Ihm blieb noch ein sauberes Hemd außer dem, das er gerade herausgenommen hatte, und zwei Garnituren von allem anderen. Das Einzige, was er zur Genüge hatte, waren Taschentücher. Er zog die Uniform an, darüber den Mantel und verließ den Raum. Um das Licht kümmerte er sich nicht. Er sah auf die Uhr. Es war fast sieben, und er hatte großen Hunger. Er schlenderte durch den leeren Betonkorridor, dann die Treppen hinunter und ins Freie.
Am Himmel leuchtete ein weißer Mond, neben dem die Sterne verblassten, und doch war alles von einem dünnen Nebel fast wie von Eis überzogen. Die Gebäude strahlten künstlich durch den Dunst. Jedes Licht besaß eine zarte Krone. Seine Schritte splitterten über den Gehweg, und sein Atem strömte durch die Luft wie flüchtig-silberner Rauch. Es war eine fremde Erde, dieses Japan, und ein strahlender, ominöser Himmel bedeckte sie. Er fühlte sich, als schritte er durch ein Kapitel der Geschichte. Es war ein beunruhigendes Gefühl, als bewegte er sich durch einen Schicksalsstrom, für sich allein, so allein wie ein Sterbender.
Der Weg war weit gewesen. Stunde um Stunde hatte er in der stickigen, überfüllten Kabine der Transportmaschine gesessen, während draußen die Nacht zum Tag wurde, die Meilen fielen unbemerkt hinter ihnen zurück, fast als reisten sie durch nichts als unbeugsame Zeit. Er war von einem Horizont der Welt zum anderen gefahren, über endlose Gewässer, und die ganze Zeit des Weges hatte er sich immer sterblicher und unbedeutender gefühlt, wie ein Schwimmer, der sich weiter und weiter vom Ufer entfernt. Jetzt drehte er sich nicht mehr um. Die Reise lag hinter ihm wie eine abgerissene Brücke. Es gab keinen Weg zurück. Er war jetzt im Krieg, und eine immense Aufregung hatte ihn erfasst.
Männer kennen oft ihr Schicksal, und vielleicht kannte Cleve das seine. Vielleicht hatten aber auch nur seine Augen es gesehen, denn es waren ungewöhnliche Augen. Sie konnten fast schmerzlich empfänglich sein oder undurchdringlich wie Murmeln. Sie waren das Auffälligste an seinem Gesicht, das beherrscht war, wenn auch auf sachte Weise. Cleve zeigte der Welt keine Maske. Er hatte oft ein Lächeln auf den Lippen, eine schmale Nase und ein gewisses Ansehen durch seine sieben Jahre als Kampfpilot. Ein Ansehen, das sich auf Erreichtes stützte. In einem Jahr während eines Wettbewerbs in Las Vegas hatte er beim Luft-Luft-Schießen den ersten Platz belegt. Er war auch bei einer Kunstflugstaffel geflogen und hatte sich verbissen durch die Monomanie von Loopings und Rollen geschwitzt, die zu dicht am Boden geflogen wurden. Danach gab es dann Glückwünsche von Generälen und wiederholte Auftritte im Club an der Bar mit mehr Piloten, als er sich erinnern konnte, die um ihn standen und seinen Erzählungen lauschten. Immer ein ganzer Pulk, es wurde getrunken und gesungen. Es war ein aufregendes Geschäft und schön, wenn die Leute einen kannten. Nur war alles sehr schnell gegangen, wie das Jahr der ersten Liebe, der rauschhafte April und plötzlich ein kühler November. Es war ein Leben wie in der Schule, behütet und reglementiert. Da gab es die Momente wirklicher Gefahr, die man sich nicht zu genau besah, und der Rest der Tage flog so dahin. Er war ein begabter Flieger und musste nicht viel trainieren; das wusste er auch; die Fähigkeit war von Anfang an da gewesen, und die Anstrengung, es zu Höchstleistung zu bringen, war minimal gewesen. Als wäre er ein Junge mit einem guten Gedächtnis im Geschichtsunterricht. Es war etwas, worauf er stolz sein konnte, aber dennoch wurde er nicht überheblich.
Manchmal, fast als handelte es sich um eine andere Person, fiel ihm der Drang wieder ein, sich dem Tod zu nähern, die Reinheit zu fühlen, die darauf folgte. Dem Willen zur Selbstüberwindung und der exklusiven, asketischen Welt, in der sie stattfand, war er bei anderen stets mit Hochachtung begegnet. Eine Zeitlang hatte auch er diese Welt bereist, er wusste nicht
mit welchem Ziel, außer vielleicht, dass er eine gewisse Stille und vielleicht Hingabe lernte.
Freunde von außen fragten ihn immer, warum er dabeiblieb, warum er sein Leben vergeudete. Er hatte ihnen nie eine Antwort geben können. Mit dem frischen Hemd auf den Schultern, noch eisgekühlt von dem einstündigen Flug in einer unbeheizten Kabine in vierzigtausend Fuß zwischen Long Beach und Albuquerque, den Abdrücken der Sauerstoffmaske auf dem Gesicht, auf den Händen den mikroskopischen Staub einer Eintausendmeilenreise, hatte nach einer gesucht, allein beim Abendessen im Club, zwischen Verwaltungsoffizieren und Frauen, die
über ihre Kinder sprachen, aber er hatte nie eine finden können. Er dachte dann an die Samstage des Fliegens, auf dem Radiokompass das herbstliche Gebrüll der Menge, die wichtigen Footballstadien lagen, klein wie Knöpfe, dreißig Meilen voneinander entfernt, seine Formationsflieger schwebten neben ihm wie Metallpfeile in der Luft, unter ihnen ein ganzer Kontinent, das letzte Sonnenlicht schien schräg durch den Dunst am Boden auf wie mit Moos betonierte Städte; aber keine vernünftige Antwort. Oder des Abends, in der großen schwarzen See, auf deren Dünung die Städte trieben, der Sterne überdrüssig und von der Schnelligkeit gelangweilt, wenn er den anderen dort oben zuhörte, zwei ungesehenen Kampfpiloten vielleicht, die sich Butcher Red nannten und einander in der Dunkelheit suchten, hatte er versucht, eine zu finden – kurz, verständlich –, und es nie geschafft. Es war ein geheimes Leben, das man alleine lebte.
Er wusste nur eins: Hier würde es enden. Er hatte es bereits gewusst, bevor er hergekommen war. Er war einunddreißig,
das war sicher nicht zu alt; aber lange würde es nicht mehr gehen. Seine Augen waren nicht mehr gut genug. Bei Sportlern waren es die Beine, die zuerst versagten. Bei einem Kampfpiloten waren es die Augen. Die Hand blieb sicher und auch das Urteil, lange nachdem man die Fähigkeit verlor, in weiter Ferne ein Flugzeug am Himmel auszumachen. Man konnte es teilweise ausgleichen, andere Augen konnten einem beim Sehen helfen, aber letzten Endes war es ein zu großes Handicap. Und er hatte den Punkt erreicht, an dem ihn ein Gefühl von verlorener Zeit beschlich. Das ständige Zählen künftiger Tage, mit denen er früher so verschwenderisch umgegangen war. Er merkte, dass er zu oft an unglückliche Ereignisse dachte. Er dachte daran, dass er nicht sterben wollte, was etwas anderes war als der Wunsch zu leben. Es war eine düstere Krankheit, ein Zwang, der am Ende die Seele zersetzen konnte.
Er kam an ein paar Tennisplätzen vorbei, vereiste Stellen glänzten darauf, und Efeu hing wie alter Bindfaden an den Zäunen, dann erreichte er den Eingang zum Offiziersclub. Drinnen war es warm. Er sah sich einen Moment lang um, ein wenig verloren in dem überfüllten Raum. Jemand an der hinteren Wand winkte ihn zu sich herüber. Es war der hagere Mann, der an einem der Tische zu Abend aß. Cleve setzte sich neben ihn.
„Hast du schon gegessen?“, fragte der Mann.
„Nein.“
„Es gibt was Gutes. Schweinekoteletts.“
Cleve sah auf die Karte und warf sie zur Seite.
„Magst du kein Schweinekotelett?“
„Nein. Mir geht die Warterei auf die Nerven.“
„Ja, das kann passieren. Du scheinst mir aber nicht der nervöse Typ.“
„Das werd ich aber bald sein.“
„Wie viele Tage bist du schon hier?“
„Vier.“
„Ich seit drei Wochen“, sagte der hagere Mann. „Drei Wochen und drei Tage, um genau zu sein.“
„Drei Wochen?“ Cleve war erstaunt. „Mein Gott, ich hoffe, du bist die Ausnahme.“
„Ich konnte nichts dagegen tun. Kaum war ich hier, hat mich ein Virus kaltgestellt. Hab ihn mir wohl in San Francisco geholt. Schon auf dem Weg hierher ging es mir elend. Sie haben mich dann sofort ins Krankenhaus gesteckt. Bin erst vor ein paar Tagen wieder raus. Morgen früh muss ich nochmal zum Arzt, und wenn er sagt, ich bin okay, wird er mich für Korea freigeben.“
Cleve aß, während der Mann in seiner knappen, unbekümmerten Art hauptsächlich von seinen Erlebnissen im Krankenhaus erzählte. Alle drei Tage hatte er einen frischen Pyjama bekommen, sagte er, und irgendwann hatte er sich wirklich gefragt, ob er wohl vollständig genesen würde, bevor er wenigstens einen mit auch nur einem einzigen Knopf daran bekäme.
„Wie lang sind die Leute gewöhnlich hier?“
„Ach, normalerweise zwei, drei Tage. Manchmal auch länger. Ich hab von einem gehört, der war über einen Monat hier, aber jetzt ist der irgendwo in Tokio. Sie suchen noch immer nach ihm.“
„Er sollte sich beeilen, sonst geht der Krieg ohne ihn vorbei.“
„Für ihn spielt das keine Rolle mehr. Er kann sich genauso gut Zeit lassen. Schlimmeren Ärger als jetzt kann er nicht mehr bekommen.“
„Wahrscheinlich nicht.“
„Irgend so ein verrückter Kampfflieger.“
„Klar, bei dem Freiheitsdrang.“ Der hagere Captain lächelte.
„Ich glaub, ich ahne schon, was du fliegst“, sagte er. „Ich hatte schon halb etwas anderes gehofft. Vielleicht wären wir zur selben Einheit gekommen.“
„In diesem Krieg wohl nicht mehr“, sagte Cleve.
„Im letzten auch schon nicht. Da warst du doch sicher auch?“
„Nein.“
„Nein? Wieder daneben. Ich dachte. Aber egal, Krieg ist Krieg. Ich glaube nicht, dass sich viel an ihnen ändert. Diesmal wollte ich nicht mal her, aber man kennt das ja. Das Gejammer. Die ganzen Mütter und ihre unschuldigen Söhne. Und dann geht man eben doch.“
Der hagere Mann sprach weiter. Er schien weniger ein Soldat als ein Wanderer zu sein, der mit geschärftem Blick und einem vagen Zeitgefühl gelassen durchs Leben streifte. Männer wie ihn konnte man schwer einschätzen, aber Cleve mochte ihn auf Anhieb.
Sie blieben und rauchten noch eine Weile, nachdem der
Tisch abgeräumt worden war, dann gingen sie in wortloser
Übereinkunft hinüber in die Bar. Die anderen waren ihnen vorausgegangen. Spielautomaten tönten und klingelten um sie herum, Gelächter und Gespräche mischten sich unter die Musik, die am hinteren Ende des Raums gespielt wurde, wo auf einer kleinen Bühne ein Orchester stand. Japanische Kellnerinnen in adretten Uniformen trugen Tabletts mit Drinks vorbei, stämmige Mädchen, wenn auch grazil, mit runden, blanken Gesichtern. Ein paar waren ganz hübsch, und eines war außergewöhnlich, ein schlankes Mädchen mit auffallend schöner Figur. Ihr Gesicht war von einer seltenen ruhigen Anmut. Es war unmöglich, sie zu übersehen.
„Nicht schlecht. In Tokio würde sie’s aber schwerer haben.“
„Warum?“, sagte Cleve.
„Dort gibt es eine Mordskonkurrenz.“
„Wahrscheinlich.“
Die Band spielte ein Medley aus Musicalliedern. Es gab nur wenige Paare auf der Tanzfläche, einsam wie Segel auf dem Meer. Die Frauen kamen aus dem Westen und wirkten eher schlicht. Eine war in eine steife blaue Uniform geknöpft mit weißen Schulterstreifen und einer Art Überseekäppi auf dem Kopf. Sie war um die vierzig oder älter und tanzte mit einem ernst wirkenden Lieutenant. Mit etwas Mühe hätte sicher noch eine dritte Person zwischen sie gepasst.
Die Tür ging auf und ein kühler Windstoß wehte herein. Cleve sah auf. Eine Gruppe von fünf Offizieren stand neben dem Eingang und sah sich um. Sie waren allesamt Second Lieutenants und offensichtlich erst vor kurzem eingetroffen, vielleicht sogar am selben Abend. Es fehlte ihnen noch an Selbstvertrauen. Sie standen dicht zusammen, gaben einander Halt. Dann suchten sie sich in der Nähe einen Tisch und setzten sich. Cleve beobachtete sie ohne wirkliches Interesse, während sie besprachen, was sie trinken wollten, und nach der Kellnerin riefen.
Sie waren alle gleich. Wie der Stab um den Kaiser auf einem großen Ölgemälde aus dem neunzehnten Jahrhundert. Nur einer fiel aus dem Rahmen. Er war blasser als der Rest. Er fiel auf wie ein Streifen Zitronenholz in einer Zedernplanke und der Unterschied schien ihm zu behagen. Es bediente sie das Mädchen, das Cleve bereits aufgefallen war. Sie stand da und wartete geduldig. Der blasse Lieutenant beobachtete sie kühl, während er die Bestellung aufgab. Sie schrieb sie auf und entfernte sich. Er pfiff bewundernd durch die Zähne.
„Was sagt man dazu?“, sagte er. „Wem würde es gefallen, mit der was anzufangen?“
„Wem nicht?“
„Ich wette, die wäre für eine Schachtel Zigaretten zu haben.“
„Und du würdest ihr beim Rauchen helfen, was, Doctor?“
„Warum nicht?“
Cleve hörte, wie sie mit den Getränken zurückkam. Er sah nicht länger hin, vernahm aber das sachte Geräusch der Gläser, die auf dem Tisch abgesetzt wurden.
„Wie heißt du?“
„Myoko.“ Leise.
„Zumindest mal was Neues.“ Sie antwortete nicht.
„Hast du keinen anderen Namen? Keinen amerikanischen?“
„Nein.“
„Wie wär es mit Rita? Das ist ein schöner Name.“ Sie war still.
„Wie alt bist du?“
„Neunzehn.“
„Alt genug, würde ich sagen. Um wie viel Uhr machst du hier Schluss, Rita?“
In dem Moment räusperte sich der hagere Mann und drehte sich zu der Gruppe um.
„Hör mal, mein Freund“, sagte er mit deutlicher Stimme.
„Warum lässt du sie nicht einfach in Ruhe?“
Der Lieutenant starrte ihn durch das gedämpfte Licht mit kühlen Augen an.
„Was haben Sie gesagt?“, fragte er höflich. Das Mädchen verließ eilig den Tisch.
„Ich hab gesagt, dass sie ihre Stelle verliert, wenn sie mit dir ausgeht. Das würdest du doch nicht wollen, oder?“
„Sind Sie hier etwa der Cluboffizier?“
„Nein.“
„Verstehe. Sie wollten nur behilflich sein.“
„Ganz genau. Ihr ist es nicht erlaubt, mit einem der Offiziere auszugehen. Ist eine Clubregel. Ich dachte, du würdest das vielleicht wissen wollen.“
„Danke“, sagte der Lieutenant.
Es folgte eine kurze, gezwungene Stille am anderen Tisch, dann hörte Cleve ihn wieder reden.
„Was sagt ihr dazu? Wenn er der Cluboffizier wäre, könnte ich es ja noch verstehen.“
„Komm schon, Pell, wir wollen hier keinen Ärger.“
„Ärger? Warum sollten wir Ärger bekommen?“
„Du solltest das Mädchen einfach in Ruhe lassen.“
„Wenn ich mit ihr reden will, dann rede ich mit ihr. Wahrscheinlich ist er selber scharf auf sie. Es wurmt ihn, das ist alles.“
„Du könntest sie aber in Schwierigkeiten bringen.“
„Ja, das könnte mir gefallen.“
„Jetzt hör schon auf mit dem Quatsch.“
„Wart’s nur ab“, sagte Pell. Er lehnte sich zurück, anscheinend völlig unbekümmert, nahm einen Schluck von seinem Drink und beobachtete, was sonst noch so vor sich ging.
Mit der Kellnerin sprach an dem Tisch allerdings niemand mehr. Stattdessen unterhielten die Second Lieutenants sich lautstark über das Fliegen, als Cleve und der hagere Mann eine Weile später den Club verließen. Sie gingen durch die Kälte zurück zu den Unterkünften. Die Drinks hatten Cleve schläfrig gemacht. Er hörte den Atem der Männer, während er sich im Schlafsaal auszog, kroch in die tiefe Kuhle seines Eisenbettes und war bald eingeschlafen.
Direkt nach dem Frühstück am nächsten Morgen erhielt er seinen Marschbefehl. Wie erwartet, teilte man ihn dem weithin berühmtesten aller Kampfgeschwader zu, das dicht hinter der Grenze lag. In nur wenigen Minuten hatte er seine Sachen gepackt. Endlich war er auf dem Weg. Den hageren Mann sah er vor seinem Aufbruch nicht wieder.

James Salter

Über James Salter

Biografie

James Salter, 1925 in Washington, D.C. geboren und in New York aufgewachsen, wurde mit seinen großen Romanen „Lichtjahre“ und „Ein Spiel und ein Zeitvertreib“ auch in Deutschland berühmt. Er diente als Kampfflieger zwölf Jahre lang in der US Air Force und nahm 1957 seinen Abschied, als sein Debüt,...

Pressestimmen
orf.at

„Mit 'Jäger' hat der große US-Erzähler James Salter in den 50ern seine literarische Karriere begonnen. In dem Roman über den Korea-Krieg, sprachlich das erste Zeugnis von Salters großer Kunst, inhaltlich heute durchaus ambivalent zu lesen, begegnet man bereits den Motiven in seinem Erzählwerk: existenzielle Einsamkeit und deren Überwindung, Streben nach Sinn und Besonderheit – hier in der Rivalität von Kampfpiloten, wie Salter selbst einer war.“

tactuel

„Der im Juni dieses Jahres verstorbene James Salter war ein Kultautor, ein 'writer's writer', der nur wenige Bücher veröffentlichte, die bei Publikum und Kritik nur mäßig erfolgreich waren, aber wegen seines äußerst prägnanten, lakonischen und letztlich melancholischen Stils auf zahlreiche Schriftsteller einen großen Einfluss ausübte.“

Badische Neueste Nachrichten

„James Salter, der mit diesem Buch Abschied von der Air Force genommen hat, evoziert in knappen, präzisen Sätzen Bewusstseinszustände und Stimmungen, ohne sie je auszubuchstabieren. Vieles bleibt unausgesprochen in dieser soldatischen Männerwelt, die ihre Lebensberechtigung aus dem Tod der anderen zieht. Salter stellt das nicht in Frage, aber er windet auch keine Girlanden darum.“

Ö1 "Ex libris"

»Mit einfachem, schmucklosem Stil umspielt er die Bewegungen und Gesten seiner Figuren und setzt sie sorgsam und unspektakulär in Szene. Doch gerade diese Geräuschlosigkeit lässt erst hören, was Salter zu sagen hat. Er spricht von einem Sinn des Daseins, vom angstlosen Vertrauen, vom spurlosen Verlassen der Welt, von einer arglosen Männlichkeit, die angesichts der letzten Regungen des Atems und des Geistes wie zu Staub zerfällt.»

SWR 2 "Forum Buch"

„Es ist ein Roman, der den Geschmack der fünfziger Jahre hat, literaturgeschichtlich interessant ist und am Ende etwas schafft, was nur wenigen Gegenwartsromanen gelingt: der Handlung eine parabelhafte Bedeutung und den Lesern eine Portion Lebensphilosophie mit auf den Weg zu geben.“

Süddeutsche Zeitung

„Ohne es zu ahnen, hat er, dessen gebrochene Helden Glück nur als rauschhaften Moment der Ekstase kennen, ein Buch über die Kunst des Fliegens geschrieben, das zugleich ein Buch über die Kunst des Schreibens ist.“ Quelle: http://www.sueddeutsche.de/kultur/jaeger-von-james-salter-moerder-der-luefte-1.2251744-2

Frankfurter Allgemeine Zeitung

„In Salters makelloser Prosa, der Klarheit der Beschreibungen und Vergleiche, erhält dieser von allem Irdischen abgelöste Wert des Heroischen seine ästhetische Gestalt.“

kulturSpiegel

„Dass ‚Jäger‘ jetzt erst auf Deutsch erscheint, ist ein hoch interessanter Anachronismus. Immer wieder blitzen in ihm wunderbare Sprachbilder auf.“

Frankfurter Rundschau

„Er ist ein beeindruckend kühler Bericht über einen Männerbund.“

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